Ivanhoe
Der schwarze Ritter
wunderschönes WA Plakat von 1962 ( Grafik: Meerwald )
In den 1950er Jahren produzierte das damals prestigeträchtigste Hollywoodstudio MGM eine wahre Flut historischer Abenteuerfilme, wobei man sich neben dem Antikfilm (u.a. Alexander der Große 1956 und Ben Hur 1959) vor allem auch dem Subgenre des Ritterfilms annahm. Der vielseitig einsetzbare Studioregisseur Richard Thorpe inszenierte in nur drei Jahren drei Genrehits. Obgleich Die Ritter der Tafelrunde (1954) und Liebe, Tod und Teufel (1955) ebenfalls große Publikumserfolge waren, ist es der erste Teil seiner „Rittertrilogie", der bis heute einen enormen Bekanntheits- und Beliebtheitsrad genießt und zu recht Klassikerstatus erlangte. Mit Ivanhoe - Der schwarze Ritter schuf Thorpe einen zeitlos unterhaltsamen, farbenprächtigen Historienfilm, der zum Trendsetter für sämtliche themenverwandte Nachfolger werden sollte. Die zahllosen Ritterfilme der 50er Jahre „bedienten" sich nicht nur beim Genreerfinder Sir Walter Scott (Der Talisman, Liebe Tod und Teufel), sondern schöpften auch ausgiebig aus dem reichen Fundus der Artuslegende (Die Ritter der Tafelrunde, Prinz Eisenherz 1954). Beiden gemein war ein ganz entscheidender Vorteil: sie hatten eine bereits festgelegte Dramaturgie. Da tummelten sich tapfere Helden, edle Damen und durchtriebene Schurken. Stolze Könige sahen sich mit intriganten Höflingen konfrontiert und treuen Knappen standen verschlagene Handlanger gegenüber. Ob Ehre, Macht, Ruhm, Liebe und Hass, die ganze Palette menschlicher Beziehungen, Emotionen, Ambitionen wurde in den schillerndsten Farben gemalt und dramatisch zugespitzt. Nicht zufällig wählte man bei MGM Ivanhoe als erstes Projekt der geplanten Ritterfilmwelle, fanden sich hier doch sämtliche oben beschriebenen Ingredienzien in nahezu perfekter Form arrangiert und verdichtet.
Der Film bietet drei
Actionhöhepunkte, die von Second Unit Director Yakima Canutt perfekt
choreographiert und inszeniert wurden. Die Stuntmanlegende mauserte sich ab den
1950er Jahren zum Spezialisten für historische Stoffe und wirkte unter anderem
an Die Ritter der Tafelrunde, Spartacus
sowie El Cid mit und
zeichnete vor allem für das berühmte Wagenrennen in
Ben Hur
verantwortlich. Das Ritterturnier von Ashby gilt nicht nur als Höhepunkt in
Ivanhoe, sondern wurde zur Referenzsequenz für alle folgenden
Genrevertreter.Hier stimmt einfach alles. Spannung, Dramaturgie, Schauwert,
Schnitt und Rasanz verschmelzen hier zu einer selten erreichten Einheit. Die
nervöse Angespanntheit der vornehmlich angelsächsischen Zuschauer wird förmlich
spürbar und erreicht einen ersten Siedepunkt, als wie aus dem Nichts ein schwarz
gekleideter Ritter heranprescht und sämtliche siegreichen Normannen zum
Lanzenduell fordert. Mit Ivanhoes Verwundung kann diese Stimmung sogar noch
gesteigert werden. Auch die Wucht und Brutalität eines solchen Waffengangs wird
eindrucksvoll vermittelt.
Die auf dem Gelände der britischen MGM-Studios in Borehamwood errichtete
Burganlage „Torquilstone" ist Schauplatz einer 15-minütigen Belagerungs- und
Erstürmungssequenz die weniger auf Spannung, als vielmehr auf Überwältigung
setzt. Es ist dies die größte Massenszene des Films, die mit allem aufwartet was
das Genre zu bieten hat. Bogenschützen, Schwertkämpfer, Zugbrücken,
Wassergräben, Sturmleitern und Flammenherde. Canutt und seine Crew brennen hier
ein wahres Feuerwerk an Stunts, Spezialeffekten und Kampfchoreographien ab.
Ivanhoe ist ein knallbuntes und in weiten Teilen zeitlos frisches Abenteuer aus der Glanzzeit des Genres. Eine wahre Flut von Ritterfilmen sollte folgen, das Original blieb allerdings in Punkto Schauwerten und Actionszenen unerreicht. So hat insbesondere das von Stuntmanlegende Yakima Canutt hervorragend inszenierte und choreographierte Ritterturnier von Ashby auch nach über 50 Jahren nichts von seiner Spannung, Rasanz und Dramatik verloren. Mit Robert Taylor wurde ein Hauptdarsteller verpflichtet, dessen schwer- und edelmütige Ausstrahlung perfekt für die Rolle des integren und würdevollen Ritters passte. Sir Walter Scotts epische Romanvorlage wurde geschickt auf wesentliche Handlungsstränge und Figurenkonstellationen verdichtet. Eine historische korrekte Aufarbeitung der Zeit Richard Löwenherz bieten weder Vorlage noch Verfilmung. Schon die Verknüpfung mit dem Robin Hood-Mythos spricht hier Bände. Ivanhoe ist verschwenderisches Ausstattungskino im besten Sinne, das trotz einiger etwas hölzerner Dialoge auch heute noch einen enormen Unterhaltungswert besitzt
( Eintrag von "vodkamartini" in der
ofdb )